Lebensversicherer – Welche Schadenersatzansprüche sind realistisch?

Referat für die Frankfurter Anlegerschutztage 10./11. Oktober 2003

des Deutschen Anlegerschutzbundes e. V. - DASB
 

1. Lebensversicherung als Kapitalanlage in der Kapitalmarktkrise

Die negative Entwicklung auf den Kapitalmärkten – eine langdauernde Niedrigzinsphase verbunden mit dem Rückgang der Aktienkurse - erschüttert das Vertrauen in die Sicherheit der Lebensversicherung als Kapitalanlage. Bis vor wenigen Jahren nur in Fachkreisen diskutierte Themen wie

- Lebensversicherer vor der Pleite,

- Senkung der Überschussbeteiligung und der Ablaufleistungen,

- Finanzierungslücken bei Immobiliendarlehen

- Schadensersatz wegen irreführender Werbung

beginnen nun für jedermann offensichtliche Realität zu werden.

Kapitallebensversicherungen und private Rentenversicherungen wurden in der Vergangenheit verstärkt unter dem Gesichtspunkt der – steuersparenden – Kapitalanlage verkauft und abgeschlossen. Sie wurden dabei nicht nur im Rahmen der planmäßigen Altersversorgung, sondern auch in Hebelmodellen eingesetzt – z. B. zur Tilgung von Immobilendarlehen oder als darlehensfinanzierte Rentenversicherungen.

Um die Attraktivität der Lebensversicherung als Kapitalanlage in Konkurrenz zu anderen möglichen Kapitalanlagen besser darzustellen, konnte nicht ausschließlich auf die vertraglich garantierten Ablaufleistungen abgestellt werden. Alleine mit den rechnungsmäßigen – garantierten - Zinsen von nur 3 – 4 % konnte die Lebensversicherung als Kapitalanlage nicht konkurrieren. Denn nach Abzug der Kosten verbleiben damit bezogen auf die eingezahlten Beiträge nur Renditen von meist unter 3 %, oft sogar unter 2 %.

Daher werden in der Werbung sogenannte Beispielrechnungen verwendet, die nicht garantierte Überschüsse – besonders aus den Kapitalerträgen der Lebensversicherer – mit berücksichtigen. Hier ging man in der Vergangenheit von langfristig erzielbaren Erträgen in Höhe von oft deutlich über 7 % aus, selbst nachdem festverzinsliche Papiere bereits mit weniger als 5 % rentierten.

Sogar in Fachkreisen glaubte man, dass Lebensversicherer ein Grundgesetz der Kapitalanlage – dass höhere Renditen nur bei höherem Risiko zu erzielen sind – überwunden haben. Man glaubte, auch bei fallender laufender Verzinsung langfristig – z. B. durch vermehrte Aktienanlage - die bisherigen Kapitalerträge und die damit finanzierten Überschussbeteiligungen ziemlich sicher auf dem bisherigen hohen Niveau stabilisieren zu können. Entsprechend wurde dann auch dem Kunden gegenüber der Eindruck erweckt, die Renditeerwartungen des Lebensversicherers und die in den Beispielrechnungen in Aussicht gestellten hohen Ablaufleistungen einschließlich der hochgerechneten Überschüsse – seien auch für den Kunden eine sichere Planungsgrundlage. Nur nebenbei und gewissermaßen aus formalen Gründen wurde darauf hingewiesen, dass die darin enthalten Überschüsse nicht garantiert werden können.

Jetzt zeigt sich, dass die in den Beispielrechnungen in Aussicht gestellten Renditen oder Ablaufleistungen eher unverbindliche - teilweise sogar sehr optimistische oder bereits unrealistische – und keinesfalls sichere Erwartungen seitens des Versicherers über die künftige Entwicklung waren. Sogar die Aufsichtsbehörde spricht von möglichen Ansprüchen auf Schadensersatz wegen irreführender Werbung mit der Überschussbeteiligung.
 

2. Senkung der Überschussbeteiligungen

Die Effekte der Verminderung der Überschussbeteiligung sind bei den üblichen langen Laufzeiten von 20 bis über 30 Jahren durch die damit gegebenen Zinseszinseffekte ganz erheblich.

Bei einer Kapitallebensversicherung über eine garantierte Versicherungssumme von 100.000 Euro wurde z. B. nach ca. 30 Jahre mit Überschüssen von mehr als 100.000 Euro gerechnet, so dass die gesamte erwartete Ablaufleistung sich auf mehr als 200.000 Euro beläuft. Für die seinerzeit abgeschlossenen Verträge sind heute u. U. nur noch Überschüsse von 40.000 Euro realistisch, die Ablaufleistung vermindert sich also um 30 % auf 140.000 Euro. Erwartete Renditen von teilweise über 6 % vermindern sich so auf unter 4 %. Die Planung der Versicherten geht damit nicht mehr auf.

Insbesondere Hebelmodelle, die auf die Zinsdifferenz zwischen einem Darlehen und der Kapitalanlage Lebensversicherung gesetzt haben, rechnen sich damit nicht mehr. Im schlimmsten Fall entstehen erhebliche Finanzierungslücken, die irgendwie geschlossen werden müssen, spätestens wenn die Bank dies verlangen muss. Ist dies nicht mehr möglich, so sind auch zwangsweise Verwertungen von Immobilien und Rückkaufswerten der Lebensversicherung nicht ausgeschlossen.

Rentenversicherungen sind noch in einer anderen Weise betroffen. Hier werden Überschüsse verwendet, um über die vertraglich garantierte Rente hinaus eine zusätzliche Überschussrente zu zahlen. Gehen die Kapitalerträge des Versicherers zurück – oder verlängert sich die Lebenserwartung – so können die Überschussrenten nach unten angepasst werden. Hierdurch können Rentenkürzungen um bis zu mehr als 25 % auftreten.

Ähnliche Effekte können zu Beitragserhöhungen führen, denn in vielen Tarifen – besonders für Berufsunfähigkeit – werden die Überschüsse verwendet, um gegenüber dem kalkulierten und garantierten Bruttobeitrag einen Beitragsvorwegabzug zu finanzieren, der zu einem deutlich geringeren Nettobeitrag führt. Sinken die Kapitalerträge, kann es deshalb zu Beitragserhöhungen kommen.

Es ist nicht verwunderlich, dass Versicherungsnehmer in dieser Situation fragen, ob hier nicht ein „Schuldiger“ gefunden werden kann, gegen den Ansprüche auf Schadenersatz geltend gemacht werden können.
 

3. Anknüpfungspunkte für Schadenersatz

Welche Fehler oder Mängel können in diesem Zusammenhang zu Schadenersatz-Ansprüchen führen?

Zu unterscheiden sind hier fehlerhafte Beratung und Information sowie vertrags- bzw. gesetzwidriges Verhalten in der tatsächlichen Abwicklung des Vertrags.

Zu nennen sind hier insbesondere:
 
- Unwirksame bzw. intransparente Klauseln, z. B. zur Verrechnung der Abschlusskosten und versicherungsmathematischen Stornoabzüge;

- Irreführende Darstellungen in der Werbung, z. B. zur Überschussbeteiligung oder zur Rendite;

- Allzu verbindliche Zusagen zur erwarteten Ablaufleistung;

- Verschweigen maßgeblicher Tatsachen, z. B. über eine bevorstehende Senkung der Überschussbeteiligung - insbesondere wegen Zinssenkung oder wegen Einführung neuer Sterbetafeln;

- Gesetzesverstöße oder Fehlverhalten des Versicherers bzw. Vorstands, z. B. unzureichende Erfüllung der Anforderungen des KonTraG – unzureichende Risikokontrolle bei den Kapitalanlagen, „Veruntreuung“ von Versichertengeldern – etwa durch spekulative Geschäfte, Verschiebung von Kosten und Gewinnen oder unsachgemäßem Einsatz der sogenannten Finanzrückversicherung;

- Fehlerhafte Vertragsdurchführung einschließlich Berechnungsfehlern;

- Abweichen von impliziten Vertragsgrundlagen – wie dem Geschäftsplan zur Überschussbeteiligung;

- Benachteiligung und Ungleichbehandlung von Versicherten und ganzen Tarifsystemen bei der jährlichen Festlegung der Überschussanteilsätze durch den Vorstand;

- Unbegründete methodische Abweichung der tatsächlichen Überschussbeteiligung von den Annahmen in den Beispielrechnungen;

- Verletzung bzw. ungenügende Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen nach § 11 a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) durch den Verantwortlichen Aktuar – insbesondere bei der Prüfung der Finanzlage im Hinblick auf die Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der Verträge sowie beim Vorschlag zur angemessenen Überschussbeteiligung;

- Mangelhafte Aufklärung über Risiken und Kosten – insbesondere bei Finanzierungsmodellen mit Hebeleffekt;

- Verspätete oder fehlende Information über voraussichtliche Senkungen der erwarteten Ablaufleistungen – auch bei laufenden Verträgen.

Viele Beispielrechnungen und Festlegungen zur Höhe der Überschussbeteiligung wurden in den letzten Jahren von der Aufsichtsbehörde – auch noch bei örtlichen Prüfungen im Jahr 2002 - als irreführend oder unzureichend begründet beanstandet. Dabei wurde auch die unzureichende Erfüllung der Aufgaben durch Verantwortliche Aktuare moniert. Auch der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft und die Standesvereinigung der Aktuare haben auf diese Problematik hingewiesen.
Dazu mehr in
www.pkv-gutachter.de/themen/Ueberschussbeteiligung.html
 

4. Gegen wen können sich Schadensersatz-Ansprüche richten?

Schadenersatz-Ansprüche können sich gegen das Versicherungsunternehmen selbst, vermittelnde Unternehmen oder einzelne Personen richten. Je nach ihrer Rolle bei der Schadenentstehung kommen in Frage:

- Versicherungsunternehmen;

- Vermittlungsunternehmen;

- Kapitalmanagementgesellschaften;

- Finanzierungsinstitute/Kreditgeber/Banken;

- Makler, Anlageberater, Vermittler;

- Vorstandsmitglieder oder Verantwortlicher Aktuar des Versicherers.

Speziell eine Haftung des Verantwortlichen Aktuars – den es im Bankenbereich nicht gibt - kann sich aus seiner gesetzlich bestimmten Sonderfunktion ergeben, da er unabhängig vom Vorstand ihm gesetzlich zugewiesene Sonderaufgaben zu erfüllen hat. Diese zielen auf Wahrung der Interessen der Versicherungsnehmer, insbesondere auf die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge. Er hat deshalb neben der Ermittlung der Höhe der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen – z. B. Deckungsrückstellung - auch deren dauerhafte Finanzierbarkeit und damit die Werthaltigkeit und Sicherheit der Kapitalanlagen in seine Beurteilungen einzubeziehen. Wesentliche Aufgaben, die bis 1994 der Versicherungsaufsicht oblagen, sind nun dieser Funktion zuzuordnen.

Der Verantwortliche Aktuar ist oft ein Angestellter des Versicherungsunternehmens, gelegentlich auch ein Vorstand. Bezeichnend für seine Tätigkeit sind Eigenverantwortlichkeit, fachliche Unabhängigkeit und fehlende Weisungsgebundenheit. Ihm ist ein Aufgabenbereich gesetzlich zugewiesen, der für die Sicherstellung der Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge entscheidend ist und nicht gleichzeitig vom Vorstand oder der Versicherungsaufsicht wahrgenommen wird.

Es ist daher nicht auszuschließen, dass eine Haftung von Vorstand bzw. Versicherungsunternehmen gegenüber der eigenen persönlichen Haftung des Verantwortlichen Aktuars in bestimmten Fällen völlig in den Hintergrund treten kann. Für Fehler, die nur dem speziellen gesetzlichen Aufgabenbereich des Verantwortlichen Aktuars zuzuordnen sind, könnte eine anderweitige Haftung sogar völlig ausgeschlossen sein. Daher muss damit gerechnet werden, dass bestimmte Schadenersatzansprüche ausschließlich nur gegen den Verantwortlichen Aktuar persönlich durchsetzbar sind. Wissenschaftlich wurde dies in den letzten Jahren zwar eingehend theoretisch behandelt, m. E. aber bisher nie in der Praxis getestet.
 

5. Welche Schadenersatz-Ansprüche können bestehen?

Schadensersatz-Ansprüche können auf Rückabwicklung des Versicherungsvertrages, Rückabwicklung damit verbundener Verträge oder eher auf Durchführung des Vertrages zu bestimmten günstigeren Bedingungen - mit Schadenausgleich - gerichtet sein, wobei hier auch der Grenzfall der reinen Vertragserfüllung zu ursprünglich vereinbarten Bedingungen zu nennen ist.

Im einzelnen seien folgende Möglichkeiten genannt:

- Rückabwicklung mit Rückzahlung der Prämien zuzüglich Zinsen;

- Neuberechnung und Auszahlung eines höheren Rückkaufswertes;

- Neuberechnung und Auszahlung höherer Überschüsse zusammen mit dem Rückkaufswert oder bei Ablauf;

- Auszahlung der ursprünglich irreführend oder zu verbindlich zugesagten Ablaufleistung;

- Zinsschaden durch spätere Nachfinanzierung von ungetilgten Restdarlehen zu ungünstigeren Bedingungen wegen verspäteter Information über die Senkung der Überschussbeteiligung;

- Schadenersatz für verbundene Verträge, die aufgrund schuldhaften Verhaltens des Versicherers zustande kamen, z. B. Rückabwicklung von Immobilienkäufen und Finanzierungen;

- Unwirksamkeit von Rentenkürzungen oder Beitragserhöhungen und Vertragsfortführung zu den ursprünglichen Bedingungen.

Die damit verbundenen Berechnungen können sehr komplex werden und erfordern ggf. auch versicherungsmathematische Begutachtungen. Man denke hier z. B. auch daran, dass eine Überschusssenkung teilweise berechtigt und unberechtigt sein kann und damit Alternativberechnungen über die gesamte Vertragslaufzeit erforderlich werden.
 

6. Probleme in der Praxis

Bei der Übertragung von Erfahrungen aus dem Banken- auf den Versicherungsbereich ist Vorsicht angebracht. Die Rechtsprechung im Versicherungsbereich ist lange Zeit stark von der Versicherungswirtschaft selbst geprägt worden und weicht historisch von der Rechtsprechung im Bankenbereich ab.

Beispielsweise wurden zwar Lebensversicherungsklauseln zur Verrechnung der Abschlusskosten und zu Stornoabzügen beim Rückkaufswert wegen Intransparenz vom BGH für unwirksam erklärt. Dies hindert jedoch Gerichte nicht daran, davon auszugehen, dass die Vertragsparteien am Vertrag festgehalten und die unwirksamen Klauseln im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung durch transparente Klauseln mit gleichem Inhalt und gleichem Ergebnis ersetzt hätten, wenn ihnen die Intransparenz bekannt gewesen wäre. Dass der Versicherungsnehmer den Vertrag bei Kenntnis des wirklichen Inhalts der ihn benachteiligenden Klauseln gar nicht abgeschlossen hätte, wird in der Rechtsprechung oft nicht angenommen. Dies führt dazu, dass der verlangten Neuberechnung der Rückkaufswerte oder der Rückzahlung aller Prämien zuzüglich Zinsen deshalb nicht entsprochen wird.

In der Rechtsprechung ist weiterhin eine Tendenz festzustellen, die vertiefte Beschäftigung mit der Versicherungstechnik - insbesondere versicherungsmathematischen Kalkulationsgrundlagen - zu vermeiden. Zum einen, weil die Versicherer diese als Geschäftsgeheimnisse ungern offen legen, zum anderen, weil dieses Gebiet sehr fachspezifisch und komplex ist und daher außerhalb von Fachkreisen ungern behandelt wird. Auch von Klägerseite wird meist gar nichts dazu vorgetragen: so sind die eigentlichen versicherungsmathematischen Berechnungen der nach dem Gesetz nur angemessen anzusetzenden Stornoabzüge (§ 178 (4) VVG) in den oben erwähnten Klageverfahren nie beanstandet worden. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass man noch davon ausgeht, dass diese Bereiche weiterhin stark von der staatlichen Aufsicht kontrolliert wären.

Immerhin hat erst im Dezember 1999 ein Verfassungsgerichtsurteil festgestellt, dass das Geheimhaltungsinteresse eines Krankenversicherers an seinen Kalkulationsgrundlagen nicht der gerichtlichen Überprüfung von Beitragsanpassungen – ggf. mit Hilfe von Sachverständigen – entgegenstehen darf, selbst wenn diese Anpassungen noch von der Aufsichtsbehörde genehmigt wurden.

Dieses Urteil bzw. seine Begründung kann auf entsprechende Überprüfungen in der Lebensversicherung übertragen werden. Der Versicherer muss demnach, wenn dazu nach dem Klagevortrag eine Beweiserhebung erforderlich ist, seine Geschäftspläne und Kalkulationsgrundlagen zumindest gegenüber einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen offen legen. Ggf. sind die Öffentlichkeit auszuschließen und alle Verfahrensbeteiligten zur Verschwiegenheit zu verpflichten.

Grundsätzlich sollte – wie die eben erwähnten Urteile zur Neuberechnung des Rückkaufswertes zeigen – von Klägerseite genau dargelegt und begründet werden, weshalb ein Schaden entstanden ist. Insbesondere sollte er darlegen, wie er sich bei rechtzeitiger Kenntnis der beanstandeten Punkte anders verhalten hätte. Irreführende Werbung oder gesetzwidriges Verhalten des Versicherers reicht alleine offenbar nicht, es muss auch nachvollziehbar kausal für einen Schaden bestimmter Höhe gewesen sein.

Wenn der Versicherungsnehmer darlegen kann, dass der Versicherer von einer bevorstehenden Senkung der Überschussbeteiligung gewusst, aber noch mit den alten überhöhten Beispielrechnungen geworben hat, und dies für die Entscheidung zu einem Immobilenkauf und einer Finanzierung maßgeblich war, dann kann auch ein Schadenersatzanspruch begründet werden, der das gesamte Finanzierungsgeschäft mit umfasst. Umgekehrt könnte der Versicherer behaupten, dass der Versicherungsnehmer den Vertrag auch bei Kenntnis der verminderten Überschussbeteiligung genauso abgeschlossen hätte, so dass letztlich kein Schadenersatzanspruch besteht. Hier kann dann hilfreich sein, wenn seinerzeit Finanzierungspläne aufgestellt und Angebote von anderen Lebensversicherern eingeholt wurden, mit denen sich die Ursächlichkeit der irreführenden Werbung des Versicherers für die nachteiligen Entscheidungen des Kunden belegen lässt.

Als Beispielfall wird auf die Urteile zur Unwirksamkeit der Verminderung von Überschussrenten hingewiesen. Nachdem noch mit hohen Überschussrenten geworben wurde, obwohl seinerzeit bereits bekannt war, dass diese wegen der Einführung einer neuen Sterbetafel sinken würden, kam es zu mehreren Urteilen. Hilfreich war hier, dass die teilweise vorläufigen Ergebnisse und Empfehlungen der versicherungsmathematischen Arbeitsgruppe der Aktuarvereinigung zur Sterbetafeländerung gut dokumentiert waren. Neben der Rückzahlung aller Prämien zuzüglich Zinsen wurde alternativ auch auf Unwirksamkeit der Rentenverminderungen und Zahlung der Renten in der ursprünglichen Höhe entschieden. Hätten die Kläger gewusst, dass eine Rentenverminderung bereits anstand, so hätten sie sich für eine andere Kapitalanlage oder eine Rentenversicherung bei einem anderen günstigeren Versicherer entschieden, der die neue Sterbetafel als Kalkulationsgrundlage bereits verwendete.

Auf eine zinsbedingte Senkung der Überschussbeteiligung könnten diese Urteile sinngemäß übertragen werden.

Die in die Beispielrechungen eingehenden Annahmen und Methoden sowie die Berechnungsmodalitäten und Kalkulationsgrundlagen der Überschussbeteiligung werden im Einzelnen vom Versicherer freiwillig kaum offengelegt. Bei Aufsichtsbeschwerden über die Höhe der Ablaufleistungen prüft die Aufsichtsbehörde zwar die Berechnung des Versicherers, teilt aber nur die Richtigkeit des Ergebnis insgesamt mit und verweist im übrigen darauf, dass die Berechnungen selbst zu den schützenswerten Geschäftsgeheimnissen des Versicherers gehören.

So wird natürlich die Feststellung von Ansätzen für eine Klage und deren Substantiierung wesentlich erschwert. Immerhin hat der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft hier mehr Transparenz empfohlen in der Form, dass die versicherungsmathematischen Berechnungen im Beschwerdefall zumindest gegenüber einem Sachverständigen nachvollziehbar dargestellt werden sollten.

Die Erfahrungen mit Klagen gegen Beitragsanpassungen in der Privaten Krankenversicherung zeigen, dass bei dieser geringen Transparenz auch entsprechend verminderte Anforderungen an die Substantiierung von Klagen ausreichen. Von PKV-Seite wird dabei oft moniert, dass die Behauptungen des Klägers sozusagen ins Blaue hinein erfolgen. Dies birgt die Gefahr, dass die Beweiserhebung in einen unzulässigen Ausforschungsbeweis abgleitet. Ein trotz der gegebenen Intransparenz zumutbares Mindestmass an Substantiierung – wenn auch nur auf Vermutungen beruhend - muss daher erfolgen, alleine schon damit ein eingegrenzter Beweisbeschluss überhaupt möglich wird und ein ggf. erforderlicher Sachverständigenauftrag erteilt werden kann.

Weitere Informationen und Urteilstexte in
www.pkv-gutachter.de/themen.html sowie speziell zur Überschussbeteiligung in
www.pkv-gutachter.de/themen/Ueberschussbeteiligung.html
 


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